Geschichte

Der Zürcher Münsterhof, der einzige wirkliche Platz in der Zürcher Altstadt, stammt aus der Zeit um 1300.

Der Platz diente seit dem Mittelalter immer wieder als Bühne wichtiger kultureller Anlässe und politischer Auftritte. So wurde im Spätmittelalter der König, wenn er mit seinem Gefolge Zürich besuchte, als erstes von der Äbtissin des Fraumünster-Klosters auf dem Münsterhof vor grossem Publikum begrüsst. Die Äbtissin war zugleich Reichsfürstin und bis zur Reformation die Stadtherrin Zürichs.

Zur Bedeutung und spannenden Geschichte des Fraumünster-Klosters: https://de.wikipedia.org/wiki/Fraumünster

Zum freien Platz wurde der Münsterhof vermutlich um 1300. Dazu wurde der Friedhof des Klosters bis auf einen Streifen entlang der Fraumünster-Kirche aufgegeben, die runde Jakobskapelle sowie eine Anzahl von Häusern abgebrochen. Dies dürfte auf Geheiss der Äbtissin geschehen sein.

Noch bis ins frühe Mittelalter war das Gelände eine sumpfige, überflutete Mulde. Eine erste Besiedlung fand vermutlich zu Beginn des 9. Jahrhunderts statt. Erste Bauten während der gallo-römischen Besiedlungsphase zwischen dem 1.und 4. Jahrhundert sind zwar nicht ausgeschlossen, die archäologischen und geologischen Befunde deuten aber auf den Lindenhof als Zentrum der keltischen Siedlung Lindenhof und des römischen Vicus Turicum.

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Mit der Aufschüttung von Geschiebe aus dem Sihlarm entstanden mit dem Bau des Fraumünsters (873) erste Holzbauten, wobei das Gelände auch als einer der drei neu geschaffenen Friedhöfe im hochmittelalterlichen Zürich diente, nachdem die Verstorbenen nicht mehr im Friedhof der gallo-römischen Siedlung Turicum bestattet wurden.

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Zu Beginn des 12. Jahrhunderts entstanden erste Bürgerbauten aus Stein, vermutlich mehrheitlich mit Material aus dem spätantiken Kastell Zürich und dessen Nachfolgebauten auf dem nahen Hügel des Lindenhofs.

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In der Nacht vom 23.auf den 24. Februar 1350 wurden auf dem Münsterhof die erbittert geführten Strassenkämpfe zwischen den Parteien der Mordnacht von Zürich geführt. Auslöser dieser Mordnacht war eine Fehde zwischen 1336 und 1355, die im Zusammenhang mit der Brun’schen Zunftverfassung und den Schweizer Habsburgerkriegen steht. Beteiligt waren auf der einen Seite aus der Stadt Zürich verbannte Ratsmitglieder (Notabel respektive Constaffel), die Exil gewährende habsburgische Stadt Rapperswil und Verbündete, auf der anderen Seite die Stadt Zürich und verbündete Adelsgeschlechter. Der Konflikt hatte langjährige Scharmützel zur Folge, die zur Mordnacht, zur Inhaftierung von Graf Johann II. von Habsburg-Laufenburg und zur Zerstörung von Rapperswil sowie zur Besetzung Rapperswiler Besitzungen durch Zürcher Truppen führten.

Aus den Wirren um die Brun’sche Zunftverfassung ging das Haus Habsburg als Sieger hervor. Seine Vormachtstellung in der Nordschweiz wurde gefestigt, und die Kontrolle über die Rapperswiler Besitzungen verblieb bis 1458 bei Habsburg. Bürgermeister Rudolf Brun gelang es durch geschicktes Taktieren, die Niederlage Zürichs zumindest in einen persönlichen Sieg umzuwandeln. 1356 schloss Zürich mit Habsburg einen Bund, der die Brun’sche Zunftverfassung («1. Geschworener Brief») von 1336 garantierte.

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Der Münsterplatz auf den Altarbildern von Hans Leu dem Älteren, Ende des 15. Jahrhunderts

Der Münsterhof auf einer Stadtansicht Jos Murers von 1576. Der Platz verlor nach der Reformation und mit dem Ende der klösterlichen Macht seinen einst so grossen kulturellen und politischen Glanz. Vieh wurde aufgetrieben – bis 1667 diente der Platz unter anderem auch als Schweinemarkt. Dann wurde der Platz erstmals gepflästert und erst im 18. Jahrhundert wieder aufgewertet.

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In den Jahren 1627 bis 1835 standen entlang der nördlichen Mauer des Fraumünsters die Verkaufsstände von Krämern, welche der Aufsicht der Zunft zum Kämbel unterstanden.

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1766 liess die Stadt im westlichen Bereich des Münsterhofs einen prachtvollen Rokokobrunnen errichten. Das Brunnenbecken bestand aus vier um ein Quadrat angeordneten halbrunden Schalen. Oben auf dem mit Meeresfabelwesen bevölkerten Brunnenstock thronte Neptun als Gott der Meere.

Die wasserbautechnische Leistung konnte jedoch nicht mit der künstlerischen Gestaltung mithalten, denn die Wasserleitung vom Üetliberg hatte zu wenig Druck. Hohn und Spott ergossen sich über den Brunnen: «Als alles fertig war, fand sich, dass kaum Wasser genug da war, um die Nase eines einzigen Delphins zu befeuchten, und als man das Werk spielen liess, sah es nicht anders aus, als ob alle diese Seepferde und Delphine den Schnupfen hätten».

Nach Beschädigungen in den Revolutionsjahren 1811 wurde der Brunnen abgetragen, doch verschwand er nicht ganz aus dem Stadtbild: Drei der vier Schalen des Beckens sind noch heute im Brunnen auf der Stüssihofstatt im Niederdorf eingebaut. Der Brunnen kehrt in einer modernen Variante wieder auf den Münsterhof zurück.

Auf dem Münsterhof ist was los: Im Spätsommer 1839 eskalierte eine politische Kontroverse in einen bewaffneten Zusammenstoss zwischen Miliztruppen der Regierung und demonstrierender Landbevölkerung. Auslöser des «Züriputsch» war die Berufung des liberalen Theologen David Friedrich Strauss zum Universitätsprofessor. Sie hatte eine starke Gegenreaktion der konservativen Opposition zur Folge («Straussenhandel»). – Am 6. September fielen Schüsse. Opfer waren 14 Putschisten sowie der Arzt und Regierungsrat Johannes Hegetschweiler (1789–1839).

Der Münsterhof wurde von der im 19. Jahrhundert konzipierten Verkehrsachse Limmatquai-Münsterbrücke-Paradeplatz beansprucht. Die Achse verlief unmittelbar vor der Längsfassade des Fraumünsters und hatte zur Folge, dass die seit dem 13. Jahrhundert bestehende Friedhofmauer und die daran angebauten Marktbuden abgebrochen wurden. Um 1900 führte sogar eine Tram (Strassenbahn) über den Platz am Fraumünster vorbei, die den Limmatquai über die Münsterbrücke mit dem Paradeplatz verband.

Churchill was here

Auf dem Münsterhof ist was los: Winston Churchill am 19. September auf dem Münsterhof nach seiner visionären Rede in der Aula der Universität Zürich, in der er zur deutsch-französischen Versöhnung und zur Einheit Europas aufrief: «Let Europe arise!». Auf dem Münsterhof spricht er dann noch einmal kurz. Der Platz ist voll. Menschen auf dem Dachfirst. Aus den Lukarnen hängen Kinder: «May God … lead the Suisse people through all the Dangers of the Future.» Der letzte Satz auf dem Münsterhof.

Und so soll der Münsterhof als Kulturplatz wieder glänzen, wenn die Bauarbeiten Ende 2015 abgeschlossen sind.

 
Zu den Fotos und Texten: Wir danken der Stadt Zürich, dem Amt für Städtebau, dem Leiter der Stadtarchäologie Dölf Wild, seinen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, besonders Raphael Volery für seine „Bilder“ aus der Zeit vor 1300 – und wikipedia.